Lepsze Jutro – so heißt eine der Kleingartenkolonien im Breslauer Stadtteil Ołbin, die aufgrund ihrer attraktiven urbanen Lage zurzeit von Investoren bedroht ist. Im Jahre 2018 beschäftigte sich eine gleichnamige Ausstellung der BWA Wrocław mit der Geschichte städtischer Kleingartenanlagen, aber auch mit dem in der jüngeren Bevölkerung stetig beliebter werdenden urban gardening sowie dem gesellschaftlichen und inklusiven Potential städtischer Gärten.
Zu den eingeladenen Künstlerinnen gehörte damals die Fotografin Aleksandra Nowysz mit ihrem Zyklus zur üppigen Pflanzenwelt und der vernakulären Architektur der urbanen Gartenkultur, wie sie die Künstlerin aus ihrem Fenster ihrer Wohnung in Ołbin beobachtet hat. Über die ihrem Projekt zugrundeliegende Idee schrieb sie damals: „Stell dir das Geflecht unserer Städte vor, durchwirkt von der Natur, die dich mit Nahrung versorgt und dich durchatmen lässt und deren Teil du bist. So könnte das bessere Morgen aussehen“.
Die Pandemie und die mit ihr einhergehende neue Lebensrealität der Jahre 2020/21 hat die bisherige Ordnung der Dinge auf den Kopf gestellt – Menschen, die ihr eigenes kleines Stück Natur nutzen konnten, waren plötzlich privilegiert. In einer Situation der anhaltenden sozialen Distanz wurde der Kontakt zum lebendigen Grün der Natur zu einem der dringendsten menschlichen Bedürfnisse.
Das Projekt Lepsze Jutro – Das bessere Morgen greift die aktuellen globalen Ereignisse auf und rückt unsere persönlichen Erfahrungen in und mit ihnen in den Fokus. Im Rahmen des online geplanten und als virtuelle Galerie entwickelten Ausstellungsprojektes präsentieren wir Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus Berlin und Wrocław: Aleksandra Nowysz und Lukas Hoffmann aus dem Bereich der visuellen Künste sowie Silke Lange und Hubert Kostkiewicz, die in der Welt der Klänge künstlerisch beheimatet sind. Zu den Bildern, eingefangen im festgesetzten Rahmen des Objektivs, entstanden eigens hierfür komponierte Klanginstallationen.
Die Fotografien von Aleksandra Nowysz und Lukas Hoffmann zeigen einen unentflechtbaren Stoff – von Menschenhand geschaffene Objekte und frei gewachsene Naturwelten. Wie Oskar Wilde sagte: „Wäre die Natur behaglich, hätten die Menschen die Architektur nicht erfunden.” Und obwohl wir versuchen, sie uns zu eigen zu machen und unterzuordnen, so findet sie für gewöhnlich einen Weg, den erlittenen Verlust auf andere Weise auszugleichen.
Die Klänge Silke Langes und Hubert Kostkiewiczs entspringen sehr unterschiedlichen Welten und Techniken und scheinen doch auf ähnlich subtile Weise hörbar zu machen, was sich auf den ersten Blick entzieht. Der organische Klang des Akkordeons Silke Langes ruft Bilder des urtümlichen menschlichen Bedürfnisses nach Nähe und dem unmittelbaren Kontakt zur Natur wach. Hubert Kostkiewiczs gesammelte akustische Fragmente lassen uns die Natur im Dschungel urbaner Hürden erleben, die sie mühelos zu überwinden scheint.
Die Idee des in Kooperation von Convivium Berlin e.V. und BWA Wrocław entstandenen Ausstellungsprojekts formuliert einen Ansatz, mit den Bedingungen umzugehen, in denen Kunst- und Kulturschaffende sich zurzeit bewegen. In ihm schwingt auch die Hoffnung mit, Schlüsse aus diesen gemeinsam gemachten Erfahrungen ziehen zu können.
Die Pandemie hat einen unmittelbaren Bezug zu unserem Verhalten, dem Wirken der Menschen auf der Erde, wie zum Beispiel der Klimakrise oder der Massentierhaltung. Wir hoffen also sehr, dass sich diese Erkenntnisse positiv auf unser zukünftiges Handeln und das Finden nachhaltiger Lösungswege aus diesen Dilemmata auswirken werden, um gemeinsam das bessere Morgen herbeiführen zu können.
Aleksandra Nowysz (geb. 1987 in Wrocław, Zusammenarbeit mit der Warschauer Universität für Lebenswissenschaften, SGGW) – Architektin und Fotografin, Erforscherin der urbanen Agrararchitektur. Im Jahr 2019 promovierte sie im Bereich Architektur und Stadtplanung an der Technischen Universität Wrocław und studiert seit 2016 am Institut für kreative Fotografie in Opava. Absolventin des Sputnik Photos Mentorship Programms. Preisträgerin des Jerzy-Grotowski-Stipendiums im Bereich Kunst in Wrocław. Autorin fotografischer Projekte über vernakuläre Architektur und Landschaft. Ihre Arbeiten wurden im Rahmen des Krakauer Fotomonats, in der Galerie BWA Studio in Wrocław und in der Galerie Photon in Wien sowie Ljubljana ausgestellt.
Hubert Kostkiewicz ist Gitarrist der KURWS, mit der er bis dato mehrere hundert Konzerte gespielt und drei Alben herausgebracht hat. Neben seiner musikalischen Arbeit in der Band experimentiert er mit seiner Faszination für abstrakte Formen: konkrete, elektroakustische und improvisierte Musik. Er erforscht Ausdrucksmittel, die sich aus manuellen Einschränkungen, Aufführungs- oder Aufnahmefehlern ergeben. Meist greift er im Rahmen seiner Forschungsprojekte zur E-Gitarre, aber auch zu elektronischen Instrumenten oder bearbeiteten Feldaufnahmen.
Lukas Hoffmann wurde 1981 in Zug in der Schweiz geboren. Er studierte von 2003 bis 2007 an der École nationale supérieure des beaux-arts in Paris bildende Kunst. 2009 bis 2011 absolvierte er das programme de recherche La Seine (ENSBA Paris). Atelierstipendien brachten ihn nach Antwerpen (2008/2009), Berlin (2011) und New York (2016). Seine Arbeiten werden regelmässig in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, zuletzt in einer Einzelausstellung im Le Point du Jour, Centre d’Art (Cherbourg, Frankreich). Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
Silke Lange studierte Akkordeon an der Berliner Musikhochschule "Hanns Eisler". Im Zentrum ihres musikalischen Interesses steht die Aktuelle und Neue Musik mit innovativen Konzertprogrammen und genreübergreifenden Projekten. Zusammen mit Ruth Velten leitet sie das Ensemble für Neue Musik LUX:NM. Sie konzertierte weltweit auf bedeutenden Festivals, u.a. "Ultraschall" Festival für zeitgenössische Musik, "MaerzMusik", Warschauer Herbst, Festival de música contemporánea Santiago de Chile, Edmonton New Music. CD Einspielungen liegen bei Wergo, DUX und genuin classics vor, zudem zahlreiche Rundfunkmitschnitte u.a. bei Deutschlandradio und rbb.
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